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Ob Amazone,
ob Diana,
wärest du nur
nicht aus Stein!
Mit größtem Sehnen,
mit welch' Begehren,
tauchte ich in
dich hinein.












Nota bene (und nur eine der vielen möglichen Assoziationen zum Monument): In der Zeit der blutigen Schwedenkriege haben Wälder Frauen ("Schwedowibor") dem Feind die Stirne geboten und im Jahre 1647 mutig den mordenden und plündernden Besatzern den Garaus gemacht. Ein Beispiel für Widerstand gegen Eindringlinge, die sich über jegliche Formen von Sitte und Motal hinwegsetzen glauben zu müssen.




Die eine Einseitigkeit

Ach du Holde ganz aus Stein
Wie tauchte ich in dich hinein
Wärest du aus Fleisch und Blut
Das täte meinem Leben gut
Unterordnen würd’ ich mich
Für mich gäbe es nur noch dich
Und bräche auch die Hölle los
Gar vieles würde wachsend groß
All’ deine Wünsche wären mein
Bedingungslos ich nur dann dein
Von dir ließ ich mir Wege zeigen
Tanzte gern’ nach deinem Reigen
Gerne alles würde ich dir geben
Erwachtest du aus Stein zum Leben

fagusarua

Die andere Einseitigkeit

O Männlein wie bist du nur so klein
Paßtest gar schlecht in mich hinein
Magst du mich ruhig Amazone nennen
So möcht’ ich keineswegs verkennen
Daß Kraft und Stärke mich nur reizen
Würde mit Lust dann gar nicht geizen
Statt dünne Worte die zu sehr schwallen
Sollt’ Manneskraft nur an mich prallen
Gegenseitig es sich stets kräftig geben
Das verstehe ich unter gutem Leben
Wer nur nach meiner Rute dürstet
Dünkt mir Knecht der wenig bürstet
Und weil du nicht kannst anders sein
Wähle ich eben Distanz aus Stein

fagusarua



 Manche Leidenschaften sind den Tugenden
so nahe,daß wir Gefahr laufen, durch den geringen Unterschied getäusccht zu werden.

Erasmus von Rotterdam



Man muß, um gut zu sein, starke Gegner haben, aber man darf von ihnen nicht überwältigt werden.

Wolf Wondratschek
















"Es ist immer dieselbe Welt, die der Betrachtung offensteht, die immerfort angeschaut oder geahndet wird, und es sind
immer dieselben Menschen, die im Wahren oder im Falschen leben, im letzten bequemer als im ersten."

Johann Wolfgang von Goethe, Maximen und Reflexionen

"Jezt bin ich weit ruhiger, die Flügel meins Muths wachsen mit jedem Tag, u wenn nicht
ein rauhes Schicksal sie beschneidet, werde ich bald fliegen können."

(Sophie Schubart (Mereau, Brentano) an ihren Halbbruder Johann Friedrich Pierer; zit. nach Sabine Gruber, "Lieber Bruder ...", Briefe von Sophie und Friedrich Ernst Carl Mereau an Johann Friedrich Pierer. Vopelius, Jena 2007, S.94; Brief Nr. 9, Camburg, vor dem 24. Juni 1801)

"Störche sind Zeugen einer noch einigermaßen heilen Umwelt -- ihr Schwinden und gar ihr Ausbleiben ist ein Alarmzeichen."
 (Prof. Dr. Ernst Schüz)


In ihrem sehr schönen Gedicht "Feuerfarb" (erschienen 1792) erklärt uns die Dichterin Sophie Mereau (geboren als Sophie Schubart in Altenburg, 1770 - 1806), weshalb sie von all den Farben "Feuerfarb" als die "Farbe der Wahrheit" gewählt hat  In diesem Gedicht -- sie war gerade zweiundzwanzig Jahre alt, als sie es verfaßte  -- wird der ihr ganzes Leben leitende Gedanke deutlich: die ihr wichtige Bedeutung von Wahrheit, welche wiederum gekoppelt ist an Freiheit und an die Liebe. Für Sophie Mereau, wie sie zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nach einer Eheschließung hieß, gehörten Freiheit und Liebe (damit freilich auch die Wahrheit) unauflöslich zusammen. Wahrheit empfand sie, wie man ihren Briefen und Gedichten unschwer entnehmen kann, immer dann, wenn sie in der von ihr geliebten Natur verweilen konnte. (Das Gedicht wurde übrigens von Ludwig van Beethoven 1806 in "Acht Lieder zum Piano", Opus 52, vertont; der Name der Dichterin blieb jedoch unbenannt ... Sophie Schubart, dann Mereau, später Brentano -- der Name aus einer weiteren Ehe, war für ihre Zeit einfach zu emanzipiert und für ihre jeweilige Umgebung zu offen und wohl allzu direkt.)

In den letzten drei Strophen wird Sophie Mereaus Hinwendungt zur Wahrheit besonders schön deutlich:


"(...)

Nur Wahrheit bleibt ewig, und wandelt sich nicht:
sie flammt wie der Sonne allleuchtendes Licht.
Ihr hab' ich mich ewig zu eigen geweiht.
Wohl dem, der ihr blitzendes Auge nicht scheut!

Warum ich, so fragt ihr, der Farbe so hold,
den heiligen Namen der Wahrheit gezollt? -
Weil flammender Schimmer von ihr sich ergießt,
und ruhige Dauer sie schützend umschließt.

Ihr schadet der nässende Regenguß nicht,
noch bleicht sie der Sonne verzehrendes Licht:
drum trag' ich so gern sie um Stirn und Gewand,
Und habe sie Farbe der Wahrheit genannt."


Man sollte das Gedicht in seiner Gesamtheit lesen, damit man auch die Reziprozität von Wahrheit, Liebe und Freiheit im Sinne von Sophie Mereau nachvollziehen kann. Dann wird auch ihr Sinn für Natur deutlich. Und dieses Eingebettetsein des Menschen in seine Natur und in die Natur zeigt sie in ihrem Gesamtwerk auf sehr schöne und eindrucksvolle Weise.

Sophie Mereau - Brentano ist vielleicht sogar die herausragendste weibliche Persönlichkeit der deutschen Romantik. Als erste Frau hat sie im Herzogtum Sachsen-Weimar die Scheidung von einer ihr nicht mehr zu ertragenden Ehe durchgesetzt, mit den Einkünften aus ihren schriftstellerischen Tätigkeiten (letztlich also: als Berufsschriftstellerin!) konnte sie den Lebensunterhalt für sich und ihre Tochter ganz alleine bestreiten. Die deutsche Literaturszene war (auch) im 18. Jahrhundert von Männern dominiert, aber Frau Mereau konnte sich in ihr behaupten. Schiller, den sie durch ihren ersten Ehemann Friedrich Ernst Carl Mereau kennengelernt hatte, war einer ihrer engsten Freunde, hat sie intensiv gefördert, wie überhaupt in ihrem Domizil in Jena die großen Denker und Dichter ständig zu Gast waren. Ihr war das Bedürfnis nach größtmöglicher  Unabhängigkeit und Freiheitsliebe essentiell. (Ist es da widersprüchlich, daß Sophie Mereau diese Bestrebungen in ihrer zweiten Ehe -- sie hatte sich zuvor von dem Jenaer Juraprofessor Ernst Carl Mereau scheiden lassen -- mit dem berühmten Clemens Wenzeslaus Brentano de la Roche, kurz: Clemens Brentano, einem ganz Großen der Heidelberger Romantik, zu großen Teilen hintanstellte -- das Spannungsverhältnis läßt sich gut ihrem Briefwechsel mit Clemens Brentano entnehmen, aber auch ihrer im Jahre 1798 veröffentlichten Erzählung "Marie"! -- und sich teilweise in einer Weise unterordnete, die sogar ihrer Gesundheit abträglich war und einer gewissen Tragik nicht entbehrte ?!?).

Man kann an Sophie Mereau sehen, wie problematisch es sein kann, zwischen Verstand und Gefühl zerrissen zu werden (ein typisches Kleistsches Thema!), wie schwierig es werden kann, romantische Gefühle und Wünsche nach selbstbestimmten Leben sowie geistiger Unabhängigkeit unter einen Hut zu bringen.
Gleichwohl haben sich Menschen um sie gedrängt: "Damals war sie von allem, was Sinn und Geschmack besaß, hoch gefeiert; wo sie erschien, drängte man sich um sie allein, ein dichter Schwarm von Bewunderern, die nach einem Wort, einem Lächeln von ihr haschten; ringsumher schlossen noch die Gaffer einen undurchdringlichen Kreis." (so ein Zeitzeuge; vgl. und zit. nach Katja Behrens, "Alles aus Liebe, sonst geht die Welt unter. Sechs Romantikerinnen und ihre Lebensgeschichte.", Beltz und Gelberg 2006, S. 159: Sophie Mereau-Brentano, geb. Schubart)

Erstaunlich (oder auch wieder nicht ...?!) ist es freilich, daß Mereaus Großartigkeit in ihrer Geburtsstadt Altenburg nicht (gebührend) gewürdigt wurde und wohl auch immer noch nicht wird!

Andere Orte haben schon viel Geringeren ihre Achtung mit Denkmälern und anderen Widmungen als Zeichen der zumindest örtlichen Verbundenheit entgegen gebracht -- selbst Bad Wörishofen hat in den letzten Jahre, freilich ziemlich spät, die Distanzierung zu ihrem ganz Großen, Rainer Werner Faßbinder (der lange Zeit eher als Tabu behandelt wurde, sozusagen als "Schande" für den Ort), in eine Art wenigstens kleiner Wertschätzung (Folge der normativen Kraft des Faktischen???) umgewandelt (Freilich: ein gebührendes Denkmal ist dort noch nicht in Sicht, aber warten wir einmal die Zeitläufte ab! --  Wenigstens hat der cineastisch sehr aktive und auf ausgewogenes Programmangebot bedachte Filmhausbesitzer an seinem Kino eine Gedenktafel angebracht, also eine private Initiative ...).

Sophie Mereau hat sicherlich mehr verdient, als jenen kleinen (mehr als stiefmütterlich behandelten) Sophie-Mereau-Weg in Altenburg, auf den schon gar keine Erinnerungstafel, nicht einmal ein Straßenschild hinweisen ...

Die folgenden Photos vom Sophie-Mereau-Weg habe ich in Altenburg Ende März 2011 gemacht; ein Hinweis auf Sophie Mereau war dort nirgendwo zu finden (den Weg fand ich im Vorfeld meiner Recherchen ohnehin "nur" über Google und die letzte Gewißheit, daß dieser "unbeschriftete" Weg der Sophie-Mereau-Weg ist, gab mir eine freundliche Anwohnerin, bei der ich Erkundigungen einzog -- sie war auch die einzige Person, die ich in diesem Umfeld ansprach, der dieser Weg etwas sagte ...)!


Der "Sophie - Mereau - Weg"  in Altenburg (Thüringen)

 
    Beim hinteren Lichtmasten zweigt das Weglein dann links ab ...                                                                                                              Hier am Fußgängerschild geht es dann los ...

 ... das war es dann auch schon wieder ...

 
  Und ab dieser Stelle (oberes Ende des Weges) geht es wieder hinunter, man ahnt bereits die Wegbiegung hinten beim Mast ... und schon ist man fast wieder unten an der Straße ...

Freilich, auch bei Sophie Mereau-Brentano ist diese Kluft zwischen Anspruch bezüglich Lebensgestaltung und umsetzbarer Realität immer wieder zu spüren. Wenn sie in "Marie" schreibt:

"Fast jeder Mensch träumt sich in der Jugend eine Lage, worinnen er am liebsten leben möchte. Gönnt ihm diese sein freundliches Schicksal, so hat er dann wohl noch Wünsche, noch trübe Stunden, aber eine geheime Zufriedenheit zeigt doch immer auf die Erfüllung seines Lieblingswunsches zurück. Marie befand sich in diesem Zustande. Der einfache Gang ihres früheren Lebens hatte ihr Zeit gelassen, über sich selbst nachzudenken und ihre Wünsche an etwas Bestimmtes zu fesseln. Ihr natürlich heller Verstand war durch den Umgang mit der Welt erleuchtet, aber nicht geblendet, ihre Phantasie war beschäftigt, aber nicht verwirrt, ihr Gefühl verfeinert, aber nicht vernichtet worden. In der darauf erfolgten Einsamkeit hatte sie über vieles reiflicher nachdenken, vieles vergleichen, sich von vielem unabhängig erhalten lernen und einen für ihr Alter seltenden Grad von Tätigkeit und praktischer Weisheit erworben. Sie war jetzt das ganz, was sie sein wollte." (Sophie Mereau, Marie, elv Bremen 2012, S. 54; Originalausgabe: Göttingen 1803),

dann trifft auf sie selbst gewiß nur ein Teil dieser tiefgründigen, klugen, von philosophischer Weisheit und psychologischem Erkenntnisvermögen durchzogenen Aussage zu. Ihr Leben war durchaus -- gerade durch die sie letztlich sehr belastende Ehe mit Clemens Brentano, durch Verlust von Kindern, durch ihren doch viel zu frühen Tod im Alter von 36 Jahren bei der Geburt eines toten Kindes -- bestimmt nicht das "was sie sein wollte", schon gar nicht diese "Lage, worinnen" sie "am liebsten leben wollte". Sie vermochte es eben nicht, ihr Leben so zu organisieren, daß es mit ihren An- und Einsichten kongruent gewesen wäre. Dieser Umstand ändert jedoch überhaupt nichts an der Richtigkeit, an der Weisheit, auch an der Qualität ihrer klugen und auf Freiheit wie auch Wahrheit ausgerichteten Lebenspraxis, wenn man sie komplex betrachtet und sich nicht an singulären Schicksalshaftigkeiten festhält. Und aus einer umfassenden Sichtweise lassen sich durchaus Maries Worte "Das Leben war ihr ein angenehmes, freundliches Geschenk, das sie am liebsten durch Wort und Tat, ohne welche Gesinnungen doch ewig unfruchtbar bleiben, und alle Kraft des Gedankens verschwindet, genießen wollte." (ebd.) uneingeschränkt auf Sophie Mereaus Lebensbilanz übertragen. Wie hatte sie doch bereits 1794 in ihrem zunächst anonym erschienenen Roman "Das Blüthenalter der Empfindung" geschrieben: "Mir graute vor den gesezlichen Formen, die so vieler Ungerechtigkeit den Weg offen lassen, -- ich dürstete nach einem freiern lebendigen Genuß meiner Existenz. (...) Was hält uns hier unter Menschen, die uns nicht verstehen, nicht lieben? Ohne Haß laß sie uns fliehen."  ( S. Mereau, Das Blüthenalter der Empfindung, zit. nach Michael Holzinger, Berliner Ausgabe 2013, S. 38).   (Anm d.V.: im Original heißt es tatsächlich "vor den gesezlichen Formen", wie überhaupt die Orthographie damals sich häufiger von der gegenwärtigen unterschied. )

Wenn auch nicht -- wie im Roman geschildert -- gleich nach Amerika, wenn auch nicht -- wie ebenfalls als Grundlage im Roman -- unter jenen Vorbedingungen: Sophie Mereau hat in ihrem Leben sehr wohl gezeigt und (meistens) auch gelebt, wann und wo Aufbegehren und das Mühen um eigene Mündigkeit und Selbständigkeit für das eigene Selbst verpflchtend sind und damit neben ihrer herausragenden sprachlichen Ästhetik und gedanklichen Klarheit zusätzlich deutliche Zeichen gesetzt, sich eben der "Farbe der Wahrheit" verpflichtet. Und lasse ich Sophie Mereau hier abschließend und selbsterklärend nochmals zu Wort kommen:


Erscheine mir, aus deinen reinen Lüften,
Mit heitern Strahlen, heilge Poesie!
Wie neu belebend über stille Triften
Der Morgen glänzt; in deinem Licht erblüh,
Was, noch von keinem Lebenshauch bewegt,
Nur dunkel sich in dem Gemüte regt.

Sophie Mereau (aus: "Serafine")


Blick in die Schlucht (bei Oberstdorf)