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Vorwort und Einführung
Inhalte werden je nach Lust und Laune sowie entsprehenden Einfällen auf all diesen Seiten sukzessive präsentiert ...

Die Domain TeutschTon betreibe ich schon seit langer Zeit; der Name geht auf einen Auftritt zurück, den wir einmal in einer Kleinstadt hatten. Die an jene Gedanken anschließenden Webseiteninhalte habe ich dann 2013 im Rahmen einer Umstrukturierung meiner Webaktivität letztlich in eine andere Webseite (nahwege.de) integriert.
TeutschTon also nun mit einem anderen "Gesicht". Hier sind nun alle Inhalte meiner vormaligen Webseite "apokalypsenfürst.de" aufgegangen, freilich um andere schriftstellerisch zu sehende Elemente erweitert. TeutschTon präsentiert also hier nun kritische Perspektiven zur (möglichen) Gefühlswelt und zu (ebenfalls möglichen) Alltagserfahrungen; die Thematik der von mir so genannten "Lochhaftigkeit", ein Ergebnis der Arbeit und Darstellungen mit dem "Apokalypsenfürst" (bei "Der Apokalypsenfürst läßt nochmals grüßen", "Kontaktierte Unkontakte" sowie unter "Spurensuche"!), bleibt hier freilich nicht nur im vollen früheren Umfang erhalten, sondern erfährt vereinzelt verschiedene (subtile) Erweiterungen ...

Also blicken wir zunächst noch einmal etwas zurück und gleichsam vorwärts:

Warum Assoziationen mit “Loch”, warum die Beschäftigung mit “Lochhaftigkeit”?
Vorbemerkung für die Arbeit bei TeutschTon   (jene Inhalte vormals bei: APOKALYPSENFÜRST)

Warum “Lochhaftigkeit” und die damit wohl verbundenen Assoziationen im positiven als auch im negativen Sinn? Der Gedanke, sich thematisch in dichterischer Weise damit einmal auseinanderzusetzen, keimte schon seit langer Zeit in mir. Auch scheint mir der Umgang mit dieser Begrifflichkeit und deren Ableitungen bislang eher verklemmt als sachlich gewesen zu sein. Es fehlte ganz einfach ein Stück Unverkrampftheit. “Lochhaft” war übrigens ursprünglich einmal die Inhaftierung von niederrangigen Delinquenten im “Loch”, den Kellerräumen unter dem Rathaus, während Bürger immerhin ihre Inhaftierung im Turm absitzen ‘durften’. Beides klingt uns nicht besonders attraktiv. Das “versperrte Kemmerlein” auf dem Turm blieb jedenfalls der reichsstättischen Elite vorbehalten. Allerdings hat man einen Ausgleich für die härteren Bedingungen der Lochhaft für die Nichtbürger dadurch versucht auszugleichen, indem Bürger für dasselbe Delikt doppelt so lang auf den Turm mußten. Eigentliches Ziel dieser Maßnahmen (zu denen auch für die Frauen der Hausarrest und das Anketten an die Bank gehörten) war Wiederherstellung des Friedens unter den Streitbaren.

Lochhaftigkeit kann als Metapher verstanden werden, denn die Bildhaftigkeit des Ausdrucks wird zunehmend breiterern Kreisen gegenwärtig. Ob der Begriff auch metonymischen Charakter hat, also für einen verwandten Begriff Verwendung findet, dürfte von der Akzeptanz bei einer hinreichenden Quantität von Sprachanwendern abhängig sein. So wie mit ‘Haus’ ursprünglich das Gebäude an sich gemeint ist, läßt sich der Begriff auch für die Bewohner gebrauchen; in diesem Fall findet eine Bedeutungsvertauschung statt. Metonymien setzen allerdings voraus, daß der Basisbegriff, aus dem sie entstanden sind, erst einmal klar umrissen ist. Ein Kompositum kann entsprechend sowohl Angaben über die Struktur eines zusammengesetzten Begriffes enthalten, wie wir es bei ‘Lochhaftigkeit’ vorfinden, aber auch funktionale Charakteristika wie z.B. bei Fünferlängsstück, Fünferquerstück, Siebenertragfläche, Querruder,  im letzteren Fall aus der Flugzeugproduktion entnommene Komposita. Hier stehen morphologische Prozesse im Zusammenhang mit der Erfüllung der jeweiligen Aufgabe.

Ist die Rede von ‘Lochhaftigkeit’ kommt man in der Regel nicht umhin, nolens volens an den Begriff ‘Arschloch’ zu denken (der freilich nicht überwiegend handlungsleitend für meine Arbeiten sein soll). Ursprünglich eigentlich eine rein biologisch bezogene Bezeichnung, hat sich der Begriff als Schimpfwort und Beleidigung etabliert, bei konkreter Anwendung mit eindeutigem Bezug sogar mit strafrechtlichen Sanktionen bewehrt. Dabei muß man auch hier sehen, daß die allgemeine Verwendung dieses Begriffes zunehmend eine Popularisierung erfährt, damit auch eine Relativierung in seiner als bösartig definierten Bedeutung. Das wohl nachhaltigste Beispiel dürfte neben Goethes bekannten Götz von Berlichingen ("... im Arsche lecken.", was bekanntlich mit After, vulgär: Arschloch, assoziiert ist)  wohl Joschka Fischers Parlamentsauftritt gewesen sein, als er den Bundestagsvizepräsidenten Richard Stücklen (CSU), der Christa Nickels bei ihrer Rede einfach das Mikrophon abgeschaltet hat, 1984 mit dem Satz “Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch.” beglückte. Dieser Vorgang erzeugte Entsetzen auf der einen Seite, wohl der Mehrheit (vor allem im Parlament), diebische Freude und Erheiterung auf der anderen (sicherlich bei einer Minderheit). Außer einer Rüge ist Joschka Fischer freilich nichts Nachteiliges widerfahren; seine vielfach als unflätig abgeurteilte Äußerung konnte beispielsweise nicht bewirken, daß er nicht Außenminister dieses Landes wurde. Unstrittig bleibt gleichwohl, daß die Artikulierung dieses Begriffes oder das Zeigen seiner affinen Symbolik immer noch Rechtsanwälte, Staatsanwälte und Richter auf den Plan rufen kann. Es darf an dieser Stelle angemerkt werden, daß zu früherer Zeit dieser Spruch zur "Gefahrenabwehr" verwendet wurde, als fernab jeglicher Beleidigungsabsicht, denn man schrieb dem blanken Hintern die Gabe zu, böse Gefahren und Geister abwehren zu können: Wer glaubte, einer Hexe oder gar dem Leibhaftigen (= Teufel) zu begegnen, konnte sich durch mehrmaliges Aufsagen dieser Redensart bösem Zauber entziehen. Selbst bei Luther findet sich diese seltsame Methode zur Abwehr von Hexen und Teufel.
Auch heute hat in den höheren geistigen Sphären längst ein Umdenken stattgefunden, eines, das freilich bislang noch keine Breitenwirkung entfaltet hat. Als ich allerdings von Charles Lewinskys süffisant und gekonnt geschriebenem Büchlein “Der A-Quotient. Theorie und Praxis des Lebens mit Arschlöchern” die letzte und entscheidende Anregung zur thematischen Beschäftigung mit “Loch” und einigen Komposita aus der Sicht des Dichters erhielt (dies war 1995), habe ich seine Hervorhebung des Begriffs ‘Lochhaftigkeit’ als eine mögliche und überzeugende Basis für die Arbeit empfunden. Bis zur Realisation einer Veröffentlichung war es jedoch noch ein weiterer, immer wieder von Ablenkungen vielfältigster Art unterbrochener Schritt. Die Überarbeitung seines Büchlein (2005, Zweitausendeins Verlag) kam mir mehr oder weniger zufällig unter die Augen und genau jener Zufall erinnerte mich daran, daß ich eigentlich einschlägig tätig werden wollte und es auch schon längst getan haben sollte. Aber bekanntlich ist aufgehoben nicht immer aufgeschoben, so daß es dann nur noch des vielsagenden, dies alles zusammenhaltenden Mottos “Apokalypsenfürst” (eine Schöpfung in leutseliger Runde) bedurfte, um mein Vorhaben zu verwirklichen. Fraglos verbindet der offene Mensch mit ‘Loch’ niemals nur Negatives, ganz im Gegenteil: ‘Loch’ und damit verknüpfte synonymische Setzungen drücken nicht selten wesentliche Inhalte eines schönen, freudvollen sowie lustzugewandten Lebens aus. Nur die Einfältigen werden bei dieser Aussage ausschließlich an Sexualität denken, aber ausgeklammert möchte ich sie ebenfalls keineswegs sehen.
Zurück zu den höheren geistigen Kreisen, die sich nicht mehr zu fein sind oder es als unschicklich, obszön, oder was an negativen Attributen auch immer denkbar wäre, unpassend finden, der sachlichen Auseinandersetzung aus dem Wege zu gehen. Beispielgebend und wohl auch richtungsweisend (dabei verliere ich freilich den bekanntlich riesigen Timelag zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und deren Verbreitung oder gar Akzeptanz in der breiten Öffentlichkeit niemals aus dem Auge ...) dürfte Robert I. Suttons Arbeit “The No Asshole Rule” aus dem Jahre 2007 (deutsch: Der Arschloch-Faktor. Vom geschicken Umgang mit Aufschneidern, Intriganten und Despoten im Unternehmen.) sein. Sutton ist Professor für Management Science und Engineering in Stanford, als renommierter Wissenschaftler anerkannt und durchaus ernstzunehmend. Vielleicht helfen seine Arbeit (und die sicherlich vielen Ausführungen, die seinem Kielwasser folgen werden), einen etwas unverkrampfteren Umgang mit den ‘Loch’-bezogenen Begriffen, die ja überwiegend bislang als Leerformeln durch die Sprachlandschaft geistern und kaum brauchbaren deskriptiven Charakter aufweisen, somit auch allen möglichen Unterstellungen Tür und Tor öffnen. Sollte es gelingen, im Zuge von Suttons Arbeit den Begriff “Arschloch” erst einmal so zu konkretisieren, daß er im Sinne einer Optimierung der Trennschärfe des Begriffes operabel wird, dann dürfte der Weg zur sinnvollen und kommunikativ brauchbaren wörterbuchhaften Erfassung anderer Termini im Wortfeld Lochhaftigkeit nicht mehr weit sein.

Dichterische Freiheit hat es allerdings nicht nötig, auf jene doch noch recht fernen Zeiten zu warten, sie kann schon jetzt – wie sie es auch zu allen Zeiten konnte – mit diesen brauchbaren Bildern operieren, die ein Stück größeres Weltverständnis und auch eine tiefere Art von Welterklärung erlauben, ohne auf die Praxis der jeweils gültigen Alltagssprache und den damit verbundenen engeren Erklärungsmustern Rücksicht nehmen zu müssen.

O Teufel, ein Himmelsloch ... !


Betrachten wir zusammen noch einmal aus einer etwas anderen Perspektive etwas ausführlicher den Umgang mit einer lochbezogenen Kategorie und versuchen wir, uns dieser systematisch und mit dem Bemühen um Abstraktion von der üblichen vorurteilsbehafteten Konnotation zu lösen, wenden wir uns also der leider allzu oft unreflektiert verwendeten Begrifflichkeit "Arschloch" zu:

Arschloch - eine sinnfältige Begrifflichkeit

Ein Arschwind! Ein Arschwind? Da regen sich die Geister je nach Couleur an oder auf. Ein kräftiges Nein zu derartiger Sprachverirrung. Zu sehr die Nähe zu “Arschloch” und natürlich zum “Arschloch”.
Nicht wenige sind nun geneigt, sich angesprochen zu fühlen und um Rechtsbeistand nachzusuchen. Empörung allenthalben. Oder nicht ganz? Natürlich nicht ganz. Ich persönlich kann hier gar nichts Empörendes sehen. Ein Begriff wie jeder andere. Man regt sich ja auch nicht über Wörter wie Wetter, Nachbar, Sonnenschein, Güllefaß (Odelfaß), Sommer, Furz oder Vogelzug auf. Es ist der Inhalt, der für die jeweilige Qualität sorgt. Und je unschärfer ein Begriff, desto größer die Möglichkeit Betroffenheiten zu schaffen. Und da “Arschloch” mehr als unscharf (Bitte nun keine Vergleiche zu Analverkehr!) geraten ist, fühlen sich schnell mal entsprechende Naturelle angesprochen, meinen in Verteidigungsstellung zu gehen. Nicht einmal die sprichwörtliche Weisheit, wonach es die Eiche nicht juckt, wenn ein Schwein sich an ihr reibt, verspricht in diesen Zuständen der Empörung Rettung aus tief verspürter Not.
Wir wollen da nicht so schnell zur Tagesordnung übergehen. Wir wollen erst einmal denken und dann so richtig fündig werden.
Arschloch als rettendes Ende unverdaubaren Unrats dürfte wohl allen eher Entlastung und Entspannung denn Empörung erzeugendes Phänomen sein. Soviel Ehrlichkeit sollte schon noch sein, nicht wahr?
Dann: Wer hat nicht gelacht über die Erlebnisse und Einlassungen vom “Kleinen Arschloch”, mit dem uns Walter Moers beglückt hat. Sicherlich nicht alle. Allein der Name hat erschreckt, abgeschreckt, aufgeschreckt. Sicherlich nicht wenige unserer Zeitgenossen. Aber wer es dann doch geschafft hat, sich vorzustellen, wer und was sich da alles zur Empörung aufrafft, dem war doch die boshafte Freude über die Kraftanstrengungen gegen die Nichtigkeit der Anlässe Grund genug, auf die jeweils nächste Veröffentlichung gespannt zu warten, um so die kochende Volksseele in ihren geifernden Ergüssen erneut zu erleben. “Kleines Arschloch” hat somit viele große Arschlöcher, will heißen, jene, die sich implizit davon angesprochen fühlten, bestens und auf gekonnteste Art erreicht. Tabubrüche einmal nicht mit dem sattsam bekannten “Das-tut-man-nicht” zu begegnen ist erwiesenermaßen nicht jedermanns Ding. Dann diese wohl überlegten Frechheiten in der Zeichenkunst der Komikfigur, die ihr jeweils dem Anlaß entsprechend zusätzliche Hervorhebung in Mimik, Gestik und Aussage als Gestalt verschaffte, war schon etwas, das den Durchschnittbürger in seiner mehr oder weniger geheim gehaltenen Vermutung bestätigten: Arschloch muß etwas Schlimmes, Bösartiges, Abzulehnendes sein. Daß in diesen Momenten zumindest vergessen wird, daß man selbst eines hat (damit freilich noch lange keines ist), macht die Problemlage für die allermeisten nicht einfacher.
Und der je nach Betrachtungslage selige oder unselige Ritter Götz von Berlichingen! Ja unsere Klassiker hatten da weniger Bedenken oder ließen sich zumindest nicht zu Bedenkenträger degradieren. Sie nannten die Dinge beim Namen. Bewußte Konnotation. Aber welche? Auch hier gilt wie immer in solchen Schieflagen: Es ist der Kontext, aber vielmehr auch die eigene Fähigkeit, oder sollte ich besser sagen: Unfähigkeit, mit den Dingen angemessen umzugehen.
Nicht von ungefähr ist in den allermeisten Ausgaben Johann Wolfgangs Entgleisung mit Auslassungspunkten abgetan. Wer liest denn schon gerne darüber, daß man seinem Herrn ausrichten möge, er könne einen im Arsche lecken. Im Arsche lecken! Man stelle sich das einmal bildlich vor! Da muß die sauber gewaschene Volksseele kochen. Gottlob heißt es im gleichen Stück unter anderem auch recht versöhnlich einmal: “Wen Gott lieb hat, dem geb er so eine Frau!” Mehr davon und schon läßt sich über den Gehalt der kleinen Pünktchen (Bösartige würden einflechten, es handele sich hier um die Symbolik geschrumpfter Bollen aus ebensolchen, arschlochhaften Exkrementen, aber mit denen setzen wir uns nicht an einen Tisch! Weder mit den Behauptern noch mit den Verdinglichungen!) in literarischer, ehrfurchtsvoller Besinnlichkeit hinweg sehen. Aber wir lassen uns nicht vom “Arschloch” ablenken, wir bleiben da heute einmal standhaft.

Natürlich werden wir uns behüten, vor allem vorsehen: Wir wissen um die Macht der Jurisdiktion und würden niemanden direkt als “Arschloch” betiteln. Weil es eben zu teuer kommen könnte. Einen anderen Grund kann allerdings nur derjenige finden, der den Arschlochbegriff seiner Bezüge entkleidet, damit sozusagen als nacktes Arschloch agieren läßt, dabei über anatomische Begrenzungen hinaus transzendiert und somit auch den Arschwind in strafwürdige Bezüge wehen läßt. Kurz: Wir werden niemals jemanden, was immer er oder sie auch tut, mit ‘Arschloch’ titulieren, in erster Linie deshalb nicht, weil es Geld kosten könnte.

Damit ist jedoch eine Frage nicht beantwortet: Was ist überhaupt - von der körperlichen Bezugssystematik einmal abgesehen - ein oder das Arschloch? Kann es sein, daß dieser Begriff konkretisierbar wird, und zwar dergestalt, daß eine strafrechtliche oder zivilrechtliche Ahndung zunehmend fragwürdiger sich gestaltet?
Auf die Spuren einer derartigen Konkretisierung will ich mich ein klein wenig begeben. (Eine längere Abhandlung erscheint von mir darüber an anderer Stelle.)

Halten wir einmal fest: Was die überwiegende Mehrheit als negativ bewertet, ist zumindest - das Dritte Reich läßt einschränkend grüßen - für diese Mehrheit tatsächlich negativ. Da spielt es dann keine Rolle, wenn Versuche objektiverer Deutungen zu anderen Ergebnissen kommen. Die normative Kraft des Faktischen schlägt hier brutal der besseren Wahrheit ins Gesicht. Insofern ist und bleibt Arschloch wohl noch für lange Zeit mehr als eine bloße Vokabel für das Ende des Darms. Es ist und wird eine Beleidigung bleiben. Aber mit welchem Recht? Spielen wir also ein klein wenig mit der uns eigenen Relativität zu den Dingen an sich ...

Fest steht, daß die große Masse der Bevölkerung neuen Erkenntnissen, wenn überhaupt, mit einem sogenannten Time-lag folgt; diese zeitliche Verzögerung der Erkenntnisaufnahme kann von recht lange dauern, wie man zum Beispiel an der Bildungsdiskussion immer wieder sehen kann. Fest steht auch, je höher die Definitionsmacht einer Institution, desto eher sind Menschen bereit, sich deren Erkenntnisse zu eigen zu machen.
Eine sicherlich mehr oder weniger große Kraft im gesellschaftlichen Dasein, was derartige Norm stiftende Avantgarde angeht, dürften wissenschaftliche Institute und Universitäten sein. Wenn es also gelingen sollte, die “Arschloch-Diskussion” in jenen Geisteshallen zu etablieren, dürften die Ergebnisse früher oder später auch in einem allgemeineren sozialen Zusammenhang salonfähig werden.

Einen ersten kleinen und, wie ich meine, richtigen Schritt in diese Richtung möchte ich nun vorstellen.

Man könnte es sich einfach machen und wie der in Zürich geborene Charles Lewinsky in seinem Buch “Der A-Quotient” (Neuauflage Gerd Haffmanns bei Zweitausendeins, 2005) zusammenfassend definieren: “Der Mensch kann auf zwei Arten denken: mit dem Kopf und mit dem Arsch. Die Leistungsfähigkeit des einen Denksystems messen wir als IQ (Intelligenz-Quotienten), die des anderen als AQ (Arschloch-Quotient).” Nur bei dieser Trivialität blieb Lewinsky in seiner Untersuchung arschlochhafter Phänomene konsequenterweise nicht stehen. Das wäre ja auch zu einfach gewesen und hätte übrigens die oben kritisierte Inhaltsleere des Begriffs Arschloch nicht einer operablen Basis näher geführt.
Auch ist es biologisch unbestreitbar, daß Denkprozesse beim Menschen im Gehirn und nicht im Arsch ablaufen. Wir haben es also mit einem assoziativen Element zu tun, wenn wir uns per definitionem über diese biologische Grundtatsache hinwegsetzen.
Wie läßt sich also dieses “Denken mit dem Arsch” inhaltlich präzisierend fassen? Hier verweist Lewinsky auf die Selbstverständlichkeit, wonach das sich mit Argumenten auseinandersetzen in der Regel zur Begegnung mit unvorhergesehenen Sachverhalten führt, einhergehend mit der Notwendigkeit, daraus neue Schlüsse ziehen zu müssen. Alte Erkenntnis wird somit zumindest teilweise obsolet und durch neue ersetzt. Wir sehen uns hier inmitten eines Postulats neopositivistischen Denkens, wonach Ergebnisse stets nur als vorläufig zu sehen sind, stets für Falsifikation offen zu halten um auf evolutionärem Weg das Denken zu erweitern. Diese Denkweise ist dem “Kopfdenker” im Lewinskyschen Verständnis gemäß. Anders dagegen der sogenannte “Arschdenker”: Jener ist fern davon, seine Meinung ändern zu müssen; er fängt immer schon mit der Gewißheit an; das ergibt für ihn selbst ein “ordentlicheres und stabileres System als die umständliche Denkerei mit dem Kopf”. Dem “Arschdenker” ist es eine Erleichterung, Fragen gegen einfache Antworten einzutauschen, wobei die Richtigkeit der Antworten keine Rolle spielt, da derartige Zweifel logischerweise zu neuen Fragen führen müßten. Wir sehen diesen Hang zum Simplifizieren auch darin, daß “die zunehmende Verwissenschaftlichung die Welt nicht zu größerer Vernunft geführt hat.” Grundsätzlich müßten mehr Daten zu mehr Fragen führen, eben weil sie Zweifel generieren. Dieser sich aus Dissonanzen ergebender Denknotwendigkeit entzieht sich der “Arschlochdenker” mit “einem simpel geschnitzten Amulett arschlochologischer Erklärungen.” Gleichzeitig bietet jener Humus aus Erklärbarkeit und (im Kantschen Sinn aus selbstverschuldeter Unmündigkeit entstandenerm) Unerklärlichen eine Basis für Aberglauben, Esotherik, Gurueskapaden und medialer Zerstreuungsbedürfnis.

Halten wir zunächst einmal fest: Folgt man obiger Erläuterung, dann ist ein Arschloch zumindest jemand, der sich weigert, (tiefergehende) Denkprozesse zu initiieren. Ebenso nimmt ein Arschloch Antworten gerne als gegeben und unabänderlich entgegen und zur Kenntnis.

Ein kleiner juristischer Exkurs: Vor dem Hintergrund einer solchen Definition müßte bei einem Beleidigungs- oder Verleumdungsverfahren nun bewiesen oder widerlegt werden, daß jemand sich weigert, nachzudenken und demzufolge ein Arschloch ist. Ein solcher Beweis dürfte mangels gültiger Festlegungen für Qualitäten des Denkens sehr schwer zu erbringen sein. Wir kommen also mit dieser bisherigen Eingrenzung auf “Arschloch” nur etwas weiter, aber noch nicht weit genug. Schließlich wollen wir eine taugliche Abgrenzung, um einen wirklich – ich wiederhole mich hier gerne –  operablen Begriff zu erhalten.

Wenn der Volksmund nicht allzu selten fordert, man möge doch endlich seinen Kopf benützen und nutzen, dann impliziert dies zugleich, daß man bislang etwas anderes für seine Denkvorgänge instrumentalisiert hatte. Für den Einwand, man könne auch überhaupt nicht gedacht haben, schnell die Replik auf widerstandslos übernommene Ergüsse. Also auch die Stimme des Volkes, der Mund der Erfahrung aus Jahrhunderten, deutet über Gefühltes die Existenz anderer als der stets postulierten Position des Menschen im Weltganzen zugeschriebenen, eben: über alles andere erhabenen, Denkweisen zu.
Man sollte auch immer im Auge behalten, daß die Verwendung von “Arschloch” kein singulärer, für die deutsche Sprache typischer Vorgang ist: Fast überall auf der Welt ist es Brauch, diesen Ausdruck als nähere Bezeichnung eines unangenehmen, lästigen, mobbenden, intrigierenden, also negativen Menschen zu gebrauchen. (Übrigens damit greifen wir schon etwas vor, denn – versprochen – im anschließenden Teil, in dem ich mich auf höchste Wissenschaft berufe, werden wir einschlägig weiter geläutert werden.) Von diesem Faktum der Weitverbreitung sollten wir uns nicht, die ganze Angelegenheit verniedlichend oder gar tabuisierend, verstecken. Die Juristerei tut’s ganz gewiß nicht und zwingt uns spätestens im Falle des corpus delictis zum Bekennen.

Lewinsky verweist auf zwei völlig unterschiedliche Prinzipien, nach denen die beiden Denkapparate (die wir uns, der kritische Leser hat es längst erkannt, von nun an als Konstrukte vorzustellen haben, was zumindest bezüglich ‘Arschdenkerei’ nicht schwer fallen dürfte) und vergleicht dies am Beispiel des Versuches eine verschlossene Türe zu öffnen: “(...) entweder man macht sich auf die Suche nach dem passenden Schlüssel, oder man schnappt sich den nächstbesten schweren Gegenstand und schlägt die Türe ein.” Oder mit seinen Worten wissenschaftlich formuliert: “Der Kopfdenk ist rational, der Arschdenk ist irrational. Der Kopfdenk folgt den Gesetzen der Logik, der Arschdenk will noch nicht einmal, dass es solche Gesetze gibt. Der Kopfdenk hört auf Argumente, der Arschdenk nimmt sie erst gar nicht zur Kenntnis.” (Der A-Quotient, Seite 25)
Der Arsch stellt nicht lange Fragen, er gibt lieber gleich Antworten. Anal läßt sich auch schlecht analysieren, nicht wahr? Nun wäre es schön – eben weil einfach und von wenig Denkanstrengung abhängig – sagen zu können, daß ein Mensch mit hohem IQ ungefährdet von einem (temporären) Arschlochdasein sein Leben fristen kann. Aber dem ist nicht so. Ich versage mir hier sogar ein ‘leider’; schließlich wollen wir uns aus gutem Grunde im Denken anstrengen, uns bemühen. Die Angelegenheit ist eben komplex, also schon gar nicht mit Arschdenkerei zu erfassen. IQ und AQ – so Lewinsky überzeugend – sind zwei vollkommen verschiedene Kategorien, es handelt sich um zwei voneinander unabhängige Systeme. “Ein Mensch mit niederem AQ und niederem IQ “tapert arg- und harmlos durch sein Leben, weder zu großen Leistungen noch zu großen Schandtaten befähigt. Früher hätte man ihn als ‘doof aber lieb’ bezeichnet.” (ebd. S.27) Die große Norm dürfte wohl mit beiden Größen in der Mitte liegen; am gefährlichsten wäre allemal die Mischung aus einem hohen IQ und einem hohen AQ, weil hier sich die Allgemeingefährlichkeit virulent wird. Lewinsky: “Nichts ist so gefährlich wie ein hochintelligentes Arschloch.” Erstrebenswert, aber leider Gottes wohl recht selten, dürfte eine Ratio von hohem IQ und extrem niederem (gegen Null tendierendem) AQ sein.
Arschlochizität ist ein relativer Begriff, was naturgegebenermaßen seine Erfassung nicht gerade einfach macht. Er läßt sich auch schlecht quantifizieren. Über Selbsteinschätzung gelingt eine realistische Erfassung meist überhaupt nicht, denn wer würde schon gerne von sich sagen wollen, er sei ein Arschdenker. Ebensowenig weiter hilft Lewinskys These, wonach in jeder beliebigen Gruppe die A-Typen stets mehr als 50% ausmachen; er spricht vom “nicht sehr erfreuliche(n) Lehrsatz von der Mehrheit der Arschlöcher”. Vom Gefühl her, auch von der eigenen Erfahrungseinschätzung, bin ich zwar geneigt, ihm zuzustimmen; aber wir wollen ja weiterhin der Rationalität verpflichtet bleiben, schon allein um die Distanz zum A-Typus nicht geringer werden zu lassen. Keine Macht den Degenerationsbemühungen fremder Mächte!
Aber wenn wir uns auch nur an die – zugegeben noch recht dürftige – vorläufige Definition von weiter oben halten, dann sollte es durchaus möglich sein, zumindest Hypothesen zu formulieren: 1. Arschlochizität hat nichts mit Bildung oder Wissen zu tun. (Lewinsky: “Man entkommt dem Wirken einer naturwissenschaftlichen Konstante weder durchs Abitur noch durch einen Doktortitel:”), 2. Arschlochizität hat nichts mit dem sozialen Status zu tun. (Lewinsky: “Brillanten machen nicht brillanter.”), 3. Politische Orientierungen sagen nichts über subjektive Gefährdung hinsichtlich Arschlochizität aus. (Lewinsky: “Die Vorsehung hat in ihrer unerforschlichen Weisheit dafür gesorgt, dass es ebenso viele linke wie rechte Arschlöcher gibt. Sie leiern nur andere Parolen.”) und 4. Der A-Quotient ist weitgehend unabhängig von geographischen Verschiebungen (Lewinsky: “Die Leute sind überall gleich blöd.”).
Nach all diesen Überlegungen, nach all dieser Aufforderung, untersuchend tätig zu werden, nicht zuletzt um dem Falsifikationsprinzip zu entsprechen, wird es auch nicht verwundern, wenn auf der Grundlage brauchbarer Beobachtungen behauptet werden kann, daß auch Alter, Geschlecht, Familienstatus und andere Faktoren keine Schieflage bei der Verteilung von Arschlochizität erwarten lassen. Lewinsky: “Der A-Quotient einer Gruppe ist unabhängig von Geschlecht, Alter, Nationalität, Hautfarbe, Bildungsgrad oder irgendwelchen anderen Eigenschaften.” Die letzte Variable bedarf jedoch einer Einschränkung: Natürlich muß bei den “anderen Eigenschaften” in einer Untersuchung über den A-Quotienten zunächst die Affinität zur Arschlochizität ausgeklammert bleiben, denn im Kontext einer self-fulfilling prophecy als auch vor dem Hintergrund der Tatsache der Wirkmechanismen instrumentalisierender Basisinfiltration durch bereits ausgeprägte Arschlochizität besteht durchaus Grund zu der Annahme, daß arschlochhaftes Verhalten im Sinne vorgenannter Definition (und auch der noch aufzuzeigenden  Definitionserweiterung resp. Aspektergänzungen) den A-Quotienten sowohl hinsichtlich Qualität als auch Quantität erhöht.

(Hier sieht man übrigens deutlich den Unterschied in der Bedeutung des alltagssprachlichen Gebrauchs von “Qualität” und seiner wissenschaftlichen, die hier eindeutig einen negativen Verlauf erfährt, sofern man Arschlochizität gemäß einer getroffenen Wertentscheidung als negatives Vorverständnis im Untersuchungsrahmen begreift.)

Nun ist Lewinsky in guter Gesellschaft, wenn er darlegt, daß die allermeisten Menschen dem Denken gerne ausweichen. Thomas Edison hat dies folgendermaßen formuliert: “Es gibt nichts, was der Mensch nicht tun würde, um sich die Arbeit des Denkens zu ersparen.” Lewinsky spricht in diesem Zusammenhang bildlich von Anstrengungen, vergleichbar einer Bergwanderung, wo stets immer wieder an lieblichen Orten Ruheplätze Verlockungen bieten: “Und überall am steilen Weg zur Erkenntnis hat der Arsch verlockende Ruhebänke platziert (...). Wer das Räsonnieren an den Arsch delegiert, profitiert von der Schwerkraft der eigenen geistigen Bequemlichkeit. (...) Der kürzeste Weg zwischen zwei Standpunkten ist immer der Trampelpfad vorgefasster Meinungen. (...) Der oft zitierte gesunde Menschenverstand ist im Arsch angesiedelt.” (ebd., Seite 45f.) Laut Voltaire – und dies dürfte der Erfahrung aller entsprechend fühlenden und denkenden Menschen entsprechen – ist “Zweifel kein angenehmer Gemütszustand”, was der Arschdenk wohl zu seiner Legitimation bei der Vermeidung von durch Denken (und natürlich auch anderweitig) verursachten Unannehmlichkeiten bemühen könnte. Nur Voltaire hat sich diesem Zustand nicht freiwillig entzogen. Denken mit dem Kopf  beinhaltet eben die Gefahr von Plessuren jedweder Art, macht aber auch den Weg frei zu einem erfüllten Leben in Eigenverantwortlichkeit. Der Arschdenk ist und bleibt dagegen Mitläufer. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang auch, daß häufig Appelle an die Vernunft dann erfolgen, wenn diese eigentlich überhaupt nicht angesprochen ist. Nicht umsonst hat der Volksmund auch hier wieder dem Volk im wahrsten Sinn des Wortes aufs Maul (und in die tiefere Denkregion) geschaut und spricht von: Verarschung ...

Nun kann man sich nicht unbedingt von der Arschlochexistenz befreien, indem man davon ausgeht, daß immer die anderen Arschlöcher sind. Niemand ist davon gefeit, zumindest ab und zu als Arschloch zu wirken. Entscheidend ist dann natürlich, wie man damit umgeht.
Robert L. Sutton hat in seinem sehr lesenswerten Buch (sofern man sich nicht an der Terminologie stört, sprich: sofern man bereit ist, Arschloch als operablem Begriff offen zu begegnen) “Der Arschloch-Faktor. Vom geschickten Umgang mit Aufschneidern, Intriganten und Despoten in Unternehmen.”, erschienen bei Hanser bereits im Herbst 2006, darauf hingewiesen, daß man den eigenen “Mistkerl” in sich zu entdecken habe, mit anderen Worten: Niemand kann sich sicher sein, wenn er keine entsprechende Anstrengungen leistet, nicht auch zum Arschloch zu degenerieren. Sicherlich ist jedoch eine entsprechende Selbsterkenntnis nicht leicht. Rationalisierungsverhalten hinsichtlich eigenen Benehmens und Einschätzung machen den Weg kleiner Schritte notwendig. Sich mit den “Augen der anderen zu sehen”, wie Sutton vorschlägt, dürfte nicht immer einfach sein. Hier schlägt er folgende Frage zur Selbstüberprüfung, deren Beantwortung man natürlich mittels geeigneter Mitarbeiterfragebögen unterstützen könnte, vor: “Fühlt sich die ‘Zielperson’ nach dem Gespräch mit dem vermeintlichen Arschloch bedrückt, erniedrigt, demotiviert oder herabgesetzt? Vor allem aber: Hält sie sich für einen schlechteren Menschen?” (Seite 107) Eine derartige Vorgehensweise setzt allerdings die innere Kraft voraus, “sich der harten Wahrheit über sich selbst zu stellen, statt an Ihren Ego schützenden Illusionen festzuhalten, versuchen Sie doch einmal, Ihr Selbstbild mit dem abzugleichen, wie andere Sie sehen.” (ebd.) Auch ein Blick zurück, also in die eigene Vergangenheit, erscheint Sutton hilfreich im Sinne erfolgreicher Exploration: “Der beste Prädikator für zukünftiges Verhalten ist vergangenes Verhalten. (...) indem Sie sich mit ihren Verhaltensmustern der Vergangenheit auseinandersetzen (...)”, und so “sehr zuverlässig auf Ihre ‘Arschlochneigung’ schließen können.” (Seite 110)

Wir halten also fest: ‘Arschlochizismus’ ist ein Bazillus, der jeden ergreifen kann. Der Umgang mit Arschlöchern macht - wie Sutton deutlich in seinem Buch zeigt - nicht zwangsläufig immun gegen diese Charakterdeformierung, sondern wirkt – leider – nur allzu häufig ansteckend. Bereits der Untertitel von Suttons Buch hilft uns weitere Eingrenzungen bei der inhaltlichen Ausfüllung des Begriffs Arschloch vorzunehmen. Wer es gerne mit summarischen Aussagen hält, dem sei folgendes Zitat angedient: “Der Unterschied zwischen dem, wie ein Mensch jemanden mit weniger Macht behandelt, und dem, wie er jemanden mit mehr Macht behandelt, ist meiner Meinung nach der beste Maßstab für seinen Charakter.” (Seite 18) Dem wird wohl nur ein echtes Arschloch widersprechen wollen; aber wer dem nicht widerspricht, der kann durchaus ebenfalls ein großes Arschloch sein: Entweder bleibt der Widerspruch aus, weil man sich falsch einschätzt (obwohl man realiter die allergrößte Tret-nach-unten-buckle-nach-oben-Kanaille ist, weil man sich also so definiert wie man sich gerne hätte (und, wie schon gesagt, irrtümlich sich am falschen Selbstbild festhält) oder man ist Meister beziehungsweise Meisterin von Tarnen und Täuschen und spielt selbst hier noch die durchtriebenen Spielchen.

Exkurs: Interessanterweise ist die deutsche Ausgabe von Suttons Buch bereits im Herbst 2006 erschienen, also vor der Originalausgabe; gleichwohl steht im Impressum das Jahr 2007 als Erscheinungsjahr. Die Originalausgabe mit dem Titel “The No Asshole Rule” wird in New York bei Warner Business Books erst im Frühjahr 2007 veröffentlicht werden. Wer nun aus der Tatsache, daß die deutsche Übersetzung vor dem englischen Original veröffentlicht worden ist, schließt, daß in der BRD ein besonders schnelles Bedürfnis nach Aufarbeitung dieser Thematik besteht, der hat zwar eine interessante Hypothese aufgestellt, muß sich aber als Folge der daraus resultierenden Fragen einem umfangreichen Denkprozeß unterziehen, um vorschnelle Antworten zu vermeiden und damit nicht dem Arschlochizismus zu verfallen. Mir ist in diesem Zusammenhang noch keine brauchbare Hypthese für weitere Untersuchungsschritte eingefallen; aber wundern tut man sich schon ...

Während Lewinsky sehr pointiert und etwas allgemein sich der Problematik genähert hat, ist  Professor Robert L. Sutton, der in Stanford Professor für Management Science und Engineering ist, zugleich noch Management-Training betreibt und somit eine Vielfalt von praktischen Erfahrungen aus betrieblichen Umfeldern einbringen kann, an die Thematik mit dem Blickwinkel Fehlverhalten in der Arbeitswelt herangegangen. Insofern tritt in seinem Buch das Detail etwas mehr in den Vordergrund. So kann seine Aufstellung “Das dreckige Dutzend. Von Arschlöchern häufig benutzte Strategien.” uns nun zu einer weiteren, sehr brauchbaren Eingrenzung dienen und somit entsteht vor unseren Augen ein ziemlich konkretes Bild dessen, was ein Arschloch ist. Demnach kennzeichnen Arschlöcher zu den vorgenannten Faktoren folgende Verhaltensweisen: “1. Persönliche Beleidigungen. 2. Verletzung von Privatsphäre. 3. Unaufgeforderter körperlicher Kontakt. 4. Verbale und nonverbale Einschüchterung und Drohgebärden. 5. Als ‘sarkastische’ Witze und Hänseleien getarnte Beleidigungen. 6. E-Mail-Hassattacken. 7. Angriffe auf den Status des Opfers. 8. Öffentliche Demütigungen oder auf ‘Statusminderung’ abzielende Rituale. 9. Rüdes Unterbrechen. 10. Bewusstes Anstarren. 11. Leute wie Luft behandeln.” (Sutton, Seite 4)

Jedenfalls dürften die bislang vorliegenden Abhandlungen zu dieser Problematik längst weit über Zirkelschluß gleichenden Aussagen wie beispielsweise “Assholes are people who don’t know that they are assholes” (Kinky Friedman) hinausgehen und völlig neue Dimensionen in der Begriffsdefinition ermöglicht haben. Bei Wikipedia finden wir eine recht fortgeschrittene Sichtweise, was die sprachliche Analyse dieser Wortverwendung angeht:

“The word is mainly used as a profanityytowards someone the speaker does not like or whose behavior is hurtful, self-centered or particularly abrasive.” Und weiter wird erläutert: “(...) however in common speech ass or arse is more often used as pars pro toto for the buttocks (or even for the whole individual), so the specification -hole effectively restores the original anatomic meaning anus. An analogous term in a Cognate language is Arschloch in German.”  

Mit diesen Aussagen ist jedoch die weitergehende Verpflichtung auf inhaltliche Konkretisierung implizit gegeben, ja eine wissenschaftlich begründete Untersuchung drängt sich als unverzichtbar auf; sie ist unerläßlich, um die sprachliche (und als Konsequenz daraus unter anderem auch: juristische) Beliebigkeit durch Exaktheit zu ersetzen. Oder in anderen Worten: Für die Kommunikationsebene ist es entscheidend zu wissen, was genau gemeint ist, wenn jemandem das Attribut “Arschloch” zugewiesen wird.

Es gilt bei weiteren Überlegungen auch zu berücksichtigen, daß wir es bei “Arschloch” sprachtechnisch gesehen eher mit einem Pleonasmus zu tun haben, denn Arsch steht für Anus und Loch in diesem Zusammenhang als Euphemismus verwendet als Synonym dafür.

Für diese Webseiten beende ich meine Ausführungen zur “Arschloch-Problematik” an dieser Stelle, nicht ohne nochmals darauf hinzuweisen, daß durch Suttons Veröffentlichungen und dem Ausbleiben der von ihm im Vorfeld gehegten Befürchtung, Fachzeitschriften und Verlag könnten der gewählten Terminologie eine deutliche Absage erteilen, endlich ein angemessener Stellenwert der Arschloch-Thematik in der Öffentlichkeit zuteil geworden ist. Da Sutton auch zeigen konnte, daß auf ungeahnt vielen Ebenen ein Klärungsbedürfnis vorhanden war und ist, wird wohl eine weitere Tabuisierung dieses Sachverhalts immer unwahrscheinlicher. Dies läßt für die weitere Zukunft auf einen sachlichen Umgang mit der Begrifflichkeit hoffen; vielleicht gelingt es sogar – und ich würde dies sehr begrüßen – “Arschloch” als Terminus Technicus zu etablieren. Dann wäre allerdings auch rechtlich gesehen eine Überprüfung bisheriger Würdigungen und Wertungen unausbleiblich.

Den Versuch, eine umfassende und weitergehende Begriffseingrenzung von “Arschloch” und den damit assoziierten Begriffen, liefere ich demnächst auf einer meiner mehr wissenschaftlich und schriftstellerisch orientierten Webseiten. Mein besten Wünsche gehen an alle dauerhaften Non-Assholes, an alle temporären Assholes und den armseligen anderen sei gesagt: Es gibt immer wieder Hoffnung auf Besserung. Der Anstrengung sollte sich jedenfalls niemand entziehen, egal auf welch hohem Roß man gegenwärtig auch immer sitzt ...






      Hier wendet sich der Gast mit Grausen:
      "So kann ich hier nicht ferner hausen,
        Mein Freund kannst du nicht weiter sein."

                     (Friedrich Schiller, Der Ring des Polykrates)



        Über das Kommen mancher Menschen tröstet uns nichts
      als die Hoffnung auf ihr Gehen.

                 (Marie von Ebner-Eschenbach)



       Es kommt die Zeit des verächtlichsten Menschen, der sich selber
     nicht mehr verachten kann.

                 (Friedrich Nietzsche)


      Anmerkung: Für viele Zeitgenossinnen und Zeitgenossen scheint
     diese prophezeite Zeit bereits angebrochen ...








Wind und Wellen sind immer auf der Seite des besseren Seefahrers.
               (Edward Gibbon, Geschichte des Verfalls und Untergangs des Römischen Reiches)




Noch staunend stehst du, freust dich doch
Schon zieht's dich schnell hinein ins Loch
(fagusarua)