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O du holde Undurchsichtigkeit!
Zu meinem ersten Gedicht auf dieser Seite "Toilettensolidarität" veröffentliche ich einen "Werkstattbericht", der ein klein wenig Einführung in die Entstehungsgeschichte, Arbeitsweise, Schreibtechnik und den politisch-sozialen Hintergrund dieses Gedichtes geben soll. Auch ist die Illustration des Gedichtes mit Bildmaterial intentional. Mir ist klar, daß ein Gedichte "für sich selbst sprechen" sollte, daß Leser und Leserinnen jeweils eigene Vorstellung, Phantasie und Intellekt bemühen müssen, will ein Gedicht einen Sinn entfalten, der über das subjektive Interesse des Schaffenden hinausreicht. Üblicherweise geben ich niemals Erläuterungen zu meinen schriftstellerischen Veröffentlichungen. Im Regelfall bin ich auch kein Freund der Veröffentlichung von sogenannten Materialbänden. Daß ich bei dem folgenden Gedicht eine Ausnahme gemacht habe, liegt an dem Wunsch einiger meiner Leser und Leserinnen, doch "endliche einmal auch diesen Weg zu versuchen". Diesem Verlangen bin ich nun hier einmal nachgekommen.
Werkstattbericht: Ein Gedicht hat immer einen Ursprung. Wie eben alles. Oft ist es nur der Blitz einer Idee, entfacht durch eine Beobachtung, durch eine Bemerkung, eben durch eine Auffälligkeit. Nicht selten ist es auch so, daß während des Arbeitens oder Studierens die Spur zu diesem konkreten Gedicht gelegt wird. Natürlich sind es subjektive Vorlieben des Verfassers, die ebenso handlungsleitend sind. Dann wird selbstverständlich Sprache als Werkzeug verstanden, also so eingesetzt, wie sie vermeintlich – und hoffentlich auch: tatsächlich – den zugedachten Zweck erfüllt. Ein Liebesgedicht wird in der Regel andere Wortwahl verlangen als eine tendenziell politisch orientierte Verarbeitung von Gedanken. Das hängt zweifelsohne auch mit den unterschiedlichen, in den Sachverhalt verwobenen Emotionen zusammen. Für mich sind bei Gedichten, die vorwiegend einer Form von Rationalität zuzuordnen sind, Elemente von kognitiver Dissonanz sehr wichtig, nicht nur, weil eine gewisse diabolische Antizipation von entrüsteten Verhaltensweisen seitens Lesender oder Hörender, resultierend aus rationalisierendem Denken, aus Verdrängungsmechanismen, aus Prüderie, aus dem Selbstverständnis eigenen verbindlich legitimierenden Sprachduktus mit dem subjektiv gefühlten Recht auf Setzung von Allgemeinverbindlichkeit, nicht selten auch aus dem mehr oder weniger bewußten Gefühl des Sich-Ertappt-Wissens mit der Konsequenz massiver Abwehr des als verwerflich angesehenen Denkens, Tuns, Fühlens, um nur einige Faktoren vorschneller Ablehnung zu nennen, ermöglichen. Es wäre unwahr, zu behaupten, man schreibe Gedicht nicht für sich selbst; vielleicht ist dies sogar die Haupttriebfeder für das Schreiben von Gedichten. Die oft Dichtern unterstellte narzißtische Eitelkeit dürfte jedoch andererseits nicht so schwerwiegend sein, wie viele es gerne glauben. Es dürfte wohl zu den äußerst seltenen Ausnahmefällen gehören, daß ein Dichter oder eine Dichterin “nur” für sich selbst schreibt. Ein weitverbreitetes Anliegen wird sicherlich ein gesellschaftlich orientiertes Verständnis sein: Als Individuum ist man, ob man es will oder nicht, in einen gesellschaftlichen Rahmen eingebettet, eingezwungen, eingetreten, der zum Ausdruck auffordert. Unterschiedliche Menschen werden dies auf ihre jeweils subjektiv angemessene und beanspruchte Weise tun. Auch diejenigen, die diesbezüglich vorgeblich “nichts” tun, wirken gesellschaftlich, weil sie durch ihre Passivität herrschende Verhältnisse unangetastet lassen und perpetuieren helfen. Das Schlagwort von der “schweigenden Mehrheit” sollte in diesem Zusammenhang erinnert werden.
Daß ich im folgenden Gedicht auch die Fäkalsprache ein klein wenig bemühe, hat seinen guten Grund: Die Konnotation von Wörtern ist für mich notwendiges Ausdrucksmittel und integraler Bestandteil von Gedanken, die zu deren Weiterführung beitragen sollen. Daß damit das Risiko von Ablehnung, Unverständnis, oft sogar Feindseligkeit bei absichtlichem Mißverstehen, eingegangen wird, ist mir gegenwärtig. Gedichte schreibt man bekanntlich nicht, um sich bei einer großen Mehrheit beliebt zu machen, sondern um aufzurütteln, um Fragen zu generieren, um Reflektion anzuregen, um sich und seine Intentionen auszudrücken. Wie soll man zum Beispiel viele politischen Entartungen und soziale Impertinenzen anders und besser bezeichnen als mit dem Wort “Scheiße”?!? Immerhin handelt es sich – von dem weitverbreiteten, in diesem konkreten Fall durchaus brauchbaren und aussagekräftigen Wort als einen allgemeinverständlichen Ausdruck über Negativität einmal abgesehenen – bei dieser Begrifflichkeit um eine Klangvariante, die keine Zweifel über Fehldeutungen offen läßt. Jedenfalls dürfte eine positive Assoziation schwerlich möglich sein; dafür sorgt das Wort selbst. Insofern ist richtungsmäßig Eindeutigkeit gegeben, qualitativ ebenso, jedoch nicht in ähnlich konkreter Form, da immer noch hinreichende Interpretationsspielräume bestehen. “Scheiße” ist obendrein aus meiner Sicht auch ein Begriff, der eine Art allerletzte Umsetzung, Verwertung der kapitalistisch erzeugten Produkte symbolisiert. Sozusagen das Ende der Produktionsschiene, der Produktionskette. Daß dieses Ende durch weitere Verwertbarkeit des sogenannten Endproduktes noch hinausgeschoben werden könnte, deutete beinahe eine Form von Unendlichkeit, eine Art Kreislauf an, was, verfolgt man diesen Gedankengang – was ich jedoch unterlasse und lieber den gewählten Endpunkt setze – schon transzendentale Züge annehmen könnte. Solcherart Spielerei steht mir jedoch nicht nahe; vielmehr ziehe ich es vor, in Bildern konkrete Alltagserscheinungen, konkrete Alltagsgesichter, konkrete Interaktionen aufzuzeigen, gerne dann auch surrealistisch zu überhöhen oder zu erniedrigen. So ist es für mich eine durchaus angemessene Vorgehensweise, spießbürgerliche Scheinsolidarität als solche zu brandmarken, sie in den Kontext des Rituals einer allgemeinen und üblichen Verbindlichkeit, die gleichzeitig widersprüchlicherweise eine Unverbindlichkeit generiert, zu stellen, wo letztlich ein Produkt aller Bürger sich vereint, sozusagen eine Art elementaren Zeichens von “Solidarität”: die Kläranlage als Sammelbecken letzter “Ausdrücke” (das darf man wörtlich, aber auch übertragen sehen) aller individueller Bürger. Aus dieser niedrigsten aller niedrig möglichen Perspektiven gilt es dann “echte” Gemeinsamkeiten, also “wirkliche” Solidarität aufzuspüren, ein Unterfangen, daß in einer nicht unbeachtlichen Anzahl von Fällen zu einer neuen alten Form von Sinnhaftigkeit führt: einen verantwortungsvollen, von Mündigkeit getragenen und um Aufklärung bemühten, Individualismus zu entwickeln, Distanz zu halten, eben: “falsche” und vorschnelle Solidarität zu verweigern, sorgsam auf Legitimation von Fremdbestimmtheit zu achten und möglichst Werte für sich selbst zu definieren. Kurz: den Grad von Fremdbestimmtheit möglichst weit zu reduzieren, Autonomie entsprechend zu entwickeln. Man muß vor allem sehen, daß seit Wegfall des Sozialismus der Kapitalismus einen weiteren Großteil seiner Masken hat fallen lassen (können) – eben weil die “Konkurrenz”, die man bekanntlich moralisch ausstechen wollte, weggefallen ist – und auch mit vielen sprachlichen Mitteln neuen Formen der Ausbeutung gangbare Wege geebnet hat, indem man “falsche” Definitionen von Solidarität in Umlauf gebracht hat – die freilich in vielfacher intersubjektiver Übereinstimmung von Interessenwahrnehmern eine Art “Allgemeingültigkeit” suggerieren sollen –, um so die neuen Abhängigen zu isolieren, echter und wirklicher Solidarität im Sinne der Wahrnehmung eigener Interessen zu entfremden. Weitgehend unreflektierte Begriffe wie “Teamfähigkeit”, “nicht teamfähig sein”, “Verantwortung fürs Ganze”, “Selbstverantwortung”, “Eigenständigkeit”, “Flexibilität”, “umweltbewußt”, “der mündige Bürger”, “Sparziele”, “Globalisierung”, um nur einige Beispiele zu nennen, werden immer dann aus der sprachlichen Mottenkiste geholt, wenn es gilt, eigene Interessen zu verfolgen, diesen Prozeß aus gutem Grund zu kaschieren, und die Abhängigen für eigene Zwecke zu funktionalisieren. Diesen Attitüden nur schöne Worte entgegensetzen, ist wenig von Erfolg gekrönt. Worte müssen jenen “weh” tun, sie dürfen denen keine Möglichkeit bieten, über Umdefinitionen das auch noch “lustig”, “schön” oder – wie nicht selten versucht – “künstlerisch wertvoll” zu finden. Diese Umkehrung von Gesagtem und Gemeintem kennen wir alle von den unsäglichen Karnevalsveranstaltungen her, wo die Kritisierten sich auch noch lachend kräftig auf die Schenkel klatschen, “mittendrin” waren, sich “angenommen und respektiert” fühlen, und im Alltag genauso wieder weiter machen, wie sie es vor dieser kurzen Unterbrechung getan hatten. Nein, ich denke, der künstlerisch richtige Weg ist, jenen Kritisierten jegliche Form von Alibi zu entziehen, sie nackt auszuziehen und das persönliche Mißfallen unverblümt auszudrücken. Machen das hinreichend Viele, dann wäre vielleicht ein Klima geschaffen, in dem nicht mehr so einfach “zur Tagesordnung” übergegangen werden könne, weil wohl auch die “Tagesordnung” sich zumindest ein klein wenig verändert hätte. Die jeweils angekündigten “Produkte”, seien sie nun materieller oder immaterieller Art, gehören gründlich ihrer zugrundeliegenden Ideologie des ästhetischen Gebrauchswertversprechens entkleidet!
Auch vor diesen vorgenannten Hintergründen sind Entstehung, Wortwahl und Aussagetendenz meines folgenden Gedichtes “Toilettensolidarität” zu sehen ...
Zu früherer Zeit traf sich das Bedürfnis befriedigende Völkchen an derartigem öffentlichen Ort, saß mehr oder weniger einvernehmlich nebeneinander, man unterhielt sich, während Darm und Blase ihre Entleerungsorgien feierten. Die Rinne diente dem Abfließen unerwünschter Stoffe, in der Mitte dieses 'Konferenzraumes' stand zumeist ein plätschernder Brunnnen, dessen Hauptaufgabe neben der Bereitung von schlichter Freude es war, unliebsame Nebengeräusche, erzeugt von dringenden Bedürfnissen, zu übertönen. Man sieht: 'Scheißen' war durchaus auch eine soziale Angelegenheit ...

Anmerkung: Der Begriff 'Konferenz' ist durchaus sinnvoll gewählt, stammt doch das Wort vom Lateinischen "conferre = zusammentragen, zusammenfassen, sammeln, aneinanderbringen, beitragen, vergleichen, austauschen, hinbringen, hintragen, besprechen, sich hingeben, u.a." Es liegt an den Leserinnen und Lesern, die den Vorgängen entsprechenden Assoziationen zu ermessen. Heute scheint diese soziale Gestaltung des Entleerungsprozesses eher unüblich und man hat sich im Laufe der Geschichte -- von der Notdurftverrichtung in freier Natur einmal abgesehen -- zu mehr oder weniger isolierten Formen des "Geschäftes", der "Sitzung(en)", des "Scheißens"(vulg.) und "Pissens"(vulg.) fort- oder aber zurückentwickelt, je nach persönlicher Betrachtungsweise ...


eine form von wandel ...
     

“I tried to get a late night piss,
but the toilet moved and again I missed.”
(Inschrift in einer Toilette in London)

        
The two photos from the left used with courtesy of H. Eggert.  'Toilet for two' (for Blacks and Whites?) taken by him in Poker Creek, Alaska, in 1993. Other pictures: formerly wide spread German toilet. (copyright by J. Buchenau)


Toilettensolidarität

Als er einst hier hat kräftig geschissen,
Ward von Fliegen zunächst sein Arsch gebissen.
Danach mit Echo und lautem Donnerhall
Hörte man deutlich der Notdurft Fall:
Das war ein Platschen, Stinken, Spritzen;
Vorbei war’s mit gemütlich’ Sitzen.

Von außerhalb der Bürger Chor
Klang mit wohlfeil’ Rat hervor:
“In heut’ger Zeit ist’s nichts als dumm,
sitzt man auf derart’ Grube ‘rum!”
Für Individualismus sich genieren!
Mit der Mehrheit sich arrangieren!
Solch’ Bürger wissen immer Rat,
Im Gleichschritt schreiten sie zur Tat.

Dies ist dem Herrn ins Hirn gestiegen:
Fürderhin scheißt man gediegen!
Ab heute stuhlt er mit Niveau
Auf dem gehobenen Standard Klo.
Gleichwohl es keimen Zweifel leise:
Es ist und bleibt die alte Scheiße!

                              Fortgeschritten ...                                                                                                                                                                     Fortgeschritten ...   
          
                                Fortgeschritten ...                                                                                                                                                                    Fortgeschritten ...                
Und beträfe es nur den Toilettenkult –
Längst wär’ er einschlägig eingelullt,
Hätte sich wehrlos einfangen lassen,
Vom Bürgersinn getrost umfassen.
Doch wenn er in die Runden blickt,
Die Meute beifallheischend nickt,
Dann wird es ihm stets sonnenklar:
Überall zu viel der Dummheit gar!
Was oft als Solidarität verkleidet,
Was oft der Masse wird geneidet,
Ist nichts als Einfaltschwätzerei.
Man besser ist da nicht dabei!

Man hält sich jene Bürger ferne!
Und richte Blicke in die Sterne.
Denke an die Vergänglichkeit.
Entziehe sich der Verlogenheit,
Und sucht schnell sich lieber stille Orte:
Hält sich weit offen so manche Pforte,
Um schnell bei Zeit hinwegzufliehen,
Sich dem Gestanke zu entziehen,
Bis irgendwann dann mit lautem Knall
Die Reproduktion explodiert ins All.

Welch Wunder ist erst dann vollbracht,
wenn die richt'gen schüsseln vollgemacht:
dann wird es keinen hunger geben,
keinen grausam' kampf ums überleben.
dann gibt's nicht mehr das überfressen,
Für  alle  etwas  - - -  angemessen ...

Und der See liegt ruhig da, Schweigsam für jene, die nicht spüren können, denen leise signale niemals nahe kommen, jene, die eine seltsame WElt aus Geborgenheit leben, jene, für die Verborgenheit tatsächlich  unsichtbarkeit bedeutet ...
Wer Gedanken immer nur ruhen lässt, begeht einen Fehler an seinen vorhandenen Möglichkeiten .

Verbunden 1

Armleuchter
Rigorist
Sophisterei
Chamäleon
Hosenscheißer
Libidinist
Ochlokrat
Clairobscure
Harpyie
Verbunden 2

Aktionismus
Regression
Sensualist
Claustrophobie
Hyperboliker
Lalopathiker
Obsession
Choleriker
Hypomaniker


Mitmenschen

Ein Mensch schaut in der Straßenbahn
Der Reihe nach die Leute an:
Jäh ist er zum Verzicht bereit
Auf jede Art Unsterblichkeit.

(Eugen Roth)

Und wenn wo gewisse Gäste hausen,
bleibt selbst man zuverlässig draussen
und frönt der stillen seligkeit
mit abstand zu deren verworfenheit.

Ein Gast ist wie ein Fisch, nach 3 Tagen fängt er an zu stinken.
(Sizilianisches Sprichwort)

Wenn du nicht bereit bist, dein Leben zu ändern, kann dir nicht geholfen werden.
(Hippokrates)

Um Erfolg in der Welt zu haben, muß man närrisch scheinen und weise sein.
(Charles de Montesquieu)

Das menschliche Leben ist überall ein Zustand, in dem es viel auszuhalten und wenig zu genießen gibt.
(Samuel Johnson)

Umsonst ist nur der Käse in der Mausefalle!  
(Russisches Sprichwort)

so seht sie endlich wieder weichen,
wie sie aus fremden häusern schleichen,
und glauben sie wären wohlgelitten:
Diese lochgestalten, glatt zugeschnitten!


Doch lässt man gedanken gleiten weiter,
das herz befreit das mehr ergründen,
so wird sich bald, mit gemüt ganz heiter,
die andere form der gestaltung finden.

... wenn bei capri die rote sonne im meer versinkt ...

... demnächst hier mehr von: die "geschwärzte" poesie ...